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Twin Peaks : Der Film
Crime, Suspense, Thriller
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Frances Bay, Catherine E. Coulson, Michael J. Anderson, Frank Silva, Walter Olkewicz, Al Strobel, Gary Hershberger, Sandra Kinder, Chris Pedersen, Victor Rivers, Rick Aiello, Gary Bullock, Sheryl Lee, Ray Wise, Mädchen Amick, Dana Ashbrook, Phoebe August
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David Lynch
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United States
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1992 |
In Twin Peaks – Fire Walk with Me entwickelt David Lynch konsequent einige seiner ihm spezifischen Themen weiter. So finden sich im Film einige Traumlandschaften oder surrealistische Traumsequenzen, wie man sie etwa aus Eraserhead, Blue Velvet oder Twin Peaks kennt.[30] Drei Sequenzen spielen im so genannten roten Zimmer, einem Raum außerhalb der Welt, in dem symbolisch das Böse haust und Pläne schmiedet. Bewohnt wird es von dem Mann von einem anderen Ort (gespielt von Michael J. Anderson), der sehr fremdartige Bewegungen und Sprechweisen vereint. Auch andere Anwesende wie Bob, das personifizierte Böse, haben diese Eigenschaften. „Lynch ließ seine Darsteller für diese Szene ihre Texte rückwärts aufsagen und übte mit ihnen auch entsprechende Bewegungsläufe ein, sodass er die Aufnahmen […] seinerseits rückwärts abspielen konnte.“[31] Der daraus resultierende Effekt lässt den Zuschauer irritiert zurück. Unterstützt wird diese bizarre Erfahrung durch den Dekor, der ähnlich wie in Blue Velvet eine äußerst wichtige Rolle einnimmt. Das rote Zimmer ist als abgeschlossener Raum das Emblem des Lynschen Traums: „in Gestalt der unwirklichen Farben, Klänge und Bewegungen, des Zickzackmusters auf dem Boden (wie bei Eraserhead), der Kulissenhaftigkeit der ganzen Szenerie.“[32] Die dominierende Farbe ist ein feuriges, aggressives Rot, dass von den allesumgebenden Vorhängen strahlt. Dieses Rot findet sich auch an anderen Stellen des Films, so zum Beispiel bei Laura, die vom Feuer, einer typischen Lynch-Metapher, immer intensiver begleitet wird. Ganz am Ende des Films schaltet die bekannte Twin Peaks-Ampel von Grün auf Rot.[19] Verstanden wurde dieser unstabile, fremde Ort mit seinen verschlossenen Türen, blutroten Räumen und labyrinthartigen Gängen als Schlüssel, als Metapher für Lauras Leiden.[17]
Des Weiteren fällt in Lynchs Filmen eine gewisse Unbeständigkeit der Orte und Räume auf.[33] Twin Peaks – Fire Walk with Me illustriert diese Unbeständigkeit am besten. Sichere, geborgene Räume wie Lauras Schlafzimmer oder das FBI-Hauptquartier entpuppen sich als instabil, wenn sie „unvorhersehbaren, kausal nicht zu begründenden Veränderungen unterliegen“.[34] Die Tür in einem Gemälde in Lauras Zimmer wird so beispielsweise zum Eingang in das oben beschriebene rote Zimmer. In solchen Szenen verschwimmen Wirklichkeit und Traum und hinterlassen beim Publikum einen bizarren Eindruck.
Auch die komplizierte Dramaturgie des Films unterstützt den Traumeffekt der Handlung. Auf den noch mehr oder weniger geradlinig erzählten Prolog, der mit dem plötzlichen Verschwinden des FBI-Agenten endet, folgt eine „relativ lose Folge von Einzelszenen, die das Leben der Protagonistin ausleuchten sollen“.[35] Dass der Film wirklich die letzten sieben Tage im Leben der Laura Palmer beschreibt, ist tatsächlich nicht nachzuprüfen, nur der Untertitel des Films weist darauf hin. Viele Szenen sind hart aneinandergereiht und akustisch komplett voneinander getrennt.[36] Der narrative Überblick geht dabei schnell verloren. Schließlich deuteten auch die handelnden Figuren auf einen Traum hin: Es handelt sich dabei um so genannte Traumsubjekte. Laura Palmer und Agent Dale Cooper stehen in der Mitte einer Welt, in der sie sich nicht zurechtfinden.[37] Vor allem Laura ist ihrer Umgebung hilflos ausgesetzt. Sie ist ein naiver Mensch „mit wenig Reflexionsvermögen und mit dunklen und konfusen Motiven“.[38]
So meint Georg Seeßlen abschließend, dass Lynch gegen die Interpretation filme: „Der Skandal von Fire Walk with Me ist, [...] dass der Film weder psychologische Analyse noch soziologisches Modell und auch keine mythische Konstruktion um den Mordfall ist, sondern ein weiterer Traum, ein Traum von einem Traum.”[39]
Elektrizität und Kommunikation[Bearbeiten] Die surrealistischen Traumsequenzen werden häufig durch das Flackern von einem Fernsehbildschirm unterbrochen oder überblendet.[40] An einer Stelle fährt die Kamera aus dem Mund eines im roten Zimmer anwesenden Elektrikers und dessen Lippen sprechen das Wort „Electricity“ aus. Strommasten und -leitungen auf dem Wohnwagenplatz hatten auch Agent Desmond interessiert, der kurz darauf verschwand. Es wird nahegelegt, dass Elektrizität eine Verbindung zum roten Zimmer herstellen kann: Die Black Lodge als Ort voller elektrischer Schwingungen. Lynchs Vorliebe für Strom und Elektrizität kommt hier sehr gut zum Ausdruck, „er lässt keine Gelegenheit aus, um eine Szene mit stroboskopischen Lichteffekten zu verfremden oder besonders unheimlich zu machen“.[40]
Der am Anfang des Films explodierende Fernseher deutet einerseits daraufhin, dass die Fernsehserie als solche tot ist, andererseits suggeriert er aber auch den Verlust von gewohnten Kommunikationsmitteln. Daraus ergibt sich „ein Netz gestörter Kommunikation“,[41] das den ganzen Film überdauert. Mal wird die Handlung durch Fernsehflimmern unterbrochen, mal wird nur über Pantomime kommuniziert, was zu mehr Verwirrung führt als zu mehr Klarheit. Laura Palmer und Agent Cooper sind im Laufe des Films damit beschäftigt, zahlreiche Träume, Zeichen und Botschaften zu empfangen und zu begreifen. Doch nie wird etwas ganz dechiffriert: „Der Text ist so wenig gegeben, wie das Rätsel zu lösen ist“.[42] Auch FBI-Agent Gorden Cole hat alle Mühe damit, sich verständlich zu machen und zu begreifen, was um ihn herum eigentlich passiert. „Je lauter er brüllt, desto unverständlicher wird er, je mehr er sich verstanden wähnt, desto größer werden die Missverständnisse, die er produziert“.[41] In Twin Peaks – Fire Walk with Me herrscht eine extrem gebrochene und nur schwer verständliche Kommunikation, die den Erzählfluss des Films stört und den Zuschauer irritiert.
Gewaltstudie[Bearbeiten] Des Weiteren vertieft Lynch seinen Weg in der Ergründung von „reinstem filmischem Terror“ in sechs verschiedenen Szenen zwischen Tochter und Vater, zwischen Laura und Vater Leland/Bob.[43] Die eindringlichste Szene ist wohl die, in der Laura neben ihrem Vater im Cabrio sitzt. Letzterer wird an einer Ampel auf offener Straße von einem einarmigen Mann, Philip Gerard (eine Art Gegenstück zu Bob), angeschrien und bedroht. Dabei entlarvt er Leland als Bösewicht direkt vor Laura. Um den Schock zu verdauen, halten sie an einer Tankstelle. Währenddessen muss Leland an den Mord an Teresa Banks zurückdenken.[30] Die gesamte Szene wird von einem äußerst beunruhigenden Sounddesign begleitet, das später in Filmen wie Lost Highway, Mulholland Drive und Inland Empire eine noch wichtigere und ausgeprägtere Rolle spielen wird. Laura geht durch mehrere Höllenkreise, der letzte ist ein endloser, brutaler Übergang von der Folter durch den Vater zur Erlösung durch einen Engel. Lauras Befreiung erfolgt erst bei einem Maximum an Leid und Schmerzen.[44] Doch dann ist sie glücklich, kann wieder ungezwungen lächeln und wirkt erwachsen.
Fischer kommt zu dem Schluss: „Wie schon in Eraserhead, The Elephant Man, Dune, Blue Velvet und Wild at Heart beschreibt der Regisseur auch hier eine Hölle auf Erden (gebündelt versinnbildlicht durch die lange, laute Disco-Orgie in der Mitte des Films, die ebenfalls in nahezu allen früheren Filmen ihre thematische und strukturelle Entsprechung hat), die sein Protagonist bzw. seine Protagonistin durchqueren muss, um am Ende Erlösung zu erlangen.“[8]
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